Einmal im Jahr treffen sich die Literaturübersetzer·innen im schönen Wolfenbüttel für ein Wochenende zum Lauschen, Lachen, Lernen. Nach sieben Jahren im Orga-Team habe ich diesmal selbst einen Workshop angeboten. Dabei ging es um : „Gute Vorbereitung ist kein Schummeln. Wie konzipiere ich einen Workshop?“ Ich arbeite schon seit über 15 Jahren mit Gruppen und hatte große Freude dabei, einen kleinen Werkzeugkoffer zu packen und mit den Teilnehmenden zusammen auszuprobieren.
Heide Franck hat zu dem Workshop netterweise ein ganz wunderbar ausführliches Protokoll geschrieben, das ich hier gerne mit euch teilen möchte. Denn, je mehr gute Workshops wir alle in die Welt bringen, desto besser… 😉
Beispiele für Methoden
- vorher gegen Lampenfieber (Dank an Pierre Goirand): Füße fest aufstellen, 4 Atemzüge: 1. aufrichten; 2. in die Weite; 3. in den Bauch; 4. von den Füßen bis nach oben (inhale – uplift / inhale – expand / inhale – settle / inhale – ground)
Einstieg: Kennenlernen & Erwartungen - Vorstellungsrunde: z.B. Name, Personalpronomen, 3 Hashtags; weitere Ideen je nach Gruppe und Kontext: Welches Wetter/Tier bist du heute? Welchen Filmtitel trüge dein Leben heute? usw.
- Impromptu Networking: 1-2 Fragen zum Einstieg in spontan gefundenen Pärchen besprechen; 3 Runden à 4 Minuten (für sehr große Runden: kurzer Austausch mit Sitznachbar·in zu zweit)
https://liberatingstructures.de/liberating-structures-menue/impromptu-networking/ - Raumaufstellung Himmelsrichtungen: z. B. Wo liegt euer Lebensmittelpunkt in Bezug auf Wolfenbüttel/Gegenstand in der Raummitte? (nicht Einzelne zu lange isoliert stehen lassen!)
- Raumaufstellung Schieberegler (Plus und Minus/1-10 im Raum markieren): z. B. Wie viele Workshops habt ihr bereits gegeben? (niedrige Sprachbarriere, mit beliebigen Fragen einsetzbar, Aufstellung auch in Gruppen/Ecken)
Methoden für die inhaltliche Arbeit - Kopfstandmethode: z. B. Wie wird ein Workshop (Ergebnis) richtig schlecht? 2 min individuell sammeln
https://innominds.de/kopfstandmethode/ - Popcorn: Ideen in den Raum rufen (ggf. auf Flipchart sammeln; eignet sich auch zum Herausfiltern von Themen/Kategorien)
- 1-2-4-alle: allein nachdenken -> als Pärchen -> als Doppelpärchen -> im Plenum besprechen
https://liberatingstructures.de/liberating-structures-menue/1-2-4-all/ - Diskussion in Kleingruppen
Gruppeneinteilung auslosen: z.B. zerschnittene Bildstückchen ziehen und puzzeln (niedrige Sprachbarriere; alternativ: abzählen, nach Eigenschaften zusammenfinden, usw.) - Gallery Walk: Flipchart-Ergebnisse aus Gruppenarbeit selbst betrachten statt klassischer Vorstellung durch die Gruppe selbst (das führt oft zu internen Diskussionen: Wer macht’s? bzw. dauert lange)
https://liberatingstructures.de/gallery-walk/
Energie in der Gruppe - zum Wachwerden: in Pärchen abwechselnd bis 3 zählen, Zahlen nacheinander durch Gesten ersetzen (z.B. 1-2-3, Klatschen-2-3, Klatschen-Stampfen-3, Klatschen-Stampfen-Drehen)
- zum Fokussieren: Spiral Journaling: Papier längs + quer falten, Stift in der Mitte ansetzen und möglichst enge Spiralen zeichnen; die 4 Ecken anschließend für versch. Fragen nutzen
https://liberatingstructures.de/spiral-journal/ - Energielevel der Gruppe zwischendurch per Daumenzeichen abfragen
Allgemeine Tipps
- vorher abfragen: Barrierefreiheit? Treppe, Sichtverhältnisse? Bedarfe? realistische Rückmeldung geben, was Leute erwarten können und was nicht
- ggf. Rollen in der Gruppe vergeben (Zeitwächter·in, Protokoll/Notizen, Technik, usw.)
- vorher überlegen: Wie reagiere ich bei diskriminierenden Wörtern?
- Methodensammlung: liberatingstructures.de (inkl. Zeitplanung; oft eher etwas knapp): Ideen unter Creative-commons-Lizenz; gibt auch eine deutschsprachige App dazu
- Moderationsstile können in verschiedenen Kulturen unterschiedlich wahrgenommen werden
- unterschiedliche Arbeitsweisen im Leitungsteam können gut sein! müssen nicht unbedingt angeglichen werden
- Gruppenphasen: Ankommen/Unsicherheit; Forming; Storming (Leute verhandeln Position untereinander und mit der Leitung, dann läuft es idealerweise); Norming; Performing; Störungen haben Vorrang und müssen geklärt werden: Konflikte/Widerstände gehen nicht einfach weg; wo liegen Macht + Asymmetrien? Arbeit in Kleingruppen hilft gegen Rededominanz Einzelner
- Zeitplanung: immer 5 Minuten draufschlagen; Gruppen sind zäh! zuerst Anfangszeit, Schlusszeit, Pause planen; Ankommen, Einstieg, Namensrunde: 20 min; Abschluss/Feedback 10-15 min; Pause abziehen; wie viel Zeit habe ich dazwischen? bei 3 h Workshop bleiben etwa 2 x 60 min für inhaltl. Arbeit
- mehrtätige Workshops: nach dem 1. Tag den 2. noch mal anpassen
- Zeitblöcke: nicht mehr als 90 min am Stück, mit jüngeren Menschen eher kürzer; nach dem Mittagessen eher aktiver
- Tandempartner·in/Buddy zum Workshop-Planen suchen?
Schwarmintelligenz: Was brauchen wir für einen gelungenen Workshop?
Zum Weiterlesen
- Priya Parker: The Art of Gathering
- Ilse M. Pogatschnigg, Mischa Oliver Altmann: The Art of Hosting: Wie gute Gespräche Führung und Zusammenarbeit verbessern
- Community und Austausch zum “Art of Hosting” (da geht es v.a. um die Haltung beim Gastgeben und Raumhalten): https://artofhosting.org/de/
- Jutta Weimar: Mini-Handbuch Facilitation (Facilitation = Ermöglichen; Thema Großgruppenmoderation)
- Hadija Haruna-Oelker: Die Schönheit der Differenz
Say YES to the Mess: Das Aufkleber-Design stammt von Jona Neugebauer. Die Idee geht auf die inspirierende Lektüre von Frank J. Barretts Buch „Yes to the Mess. Surpising Leadership Lessons from Jazz“ zurück.